Liebevoll Grenzen setzen Teil 5

Ich kann nicht alles alleine, aber ich bin auch nicht hilflos
Die Regel der Macht

 Als John Townsend 7 Jahre alt war, las er das Buch, Tom Sawyer. Ihm wurde klar, dass er von zu Hause abhauen sollte. Seine Familie nervte ihn und er wusste, er könnte es ohne sie schaffen. Er packte sein Überlebensbündel und zog nachmittags los. Er lief einige hundert Meter und als sein Weg im Walddickicht immer beschwerlicher wurde, fing er an seine Sandwiches zu essen. Es wurde langsam dunkel, als die nächtlichen Geräusche ihn etwas beunruhigten dachte er, es sei nun Zeit nach Hause zu gehen. Es zwang ihn niemand und trotzdem ging er wieder heim. Er konnte es selbst nicht verstehen, dass er seine Freiheit nicht genießen konnte. Er wollte groß und mächtig sein    doch er wurde gnadenlos mit seiner Machtlosigkeit konfrontiert!

Kinder an die Macht
Viele Kinder erleben irgendwann ähnliche Situationen. Allmacht verlockt zu Großspurigkeit.
Es macht Sinn, sein Kind solche unrealistischen Vorstellungen oder Ideen realisieren zu lassen. Kinder werden von der Realität eingeholt, dass sie eben nicht so mächtig sind wie sie dachten. Sie lernen dadurch sich den Gegebenheiten anzupassen und haben 20140225_145910hoffentlich etwas gelernt.
Um gesunde Grenzen zu entwickeln, müssen Kinder eine gewisse Macht haben, im Sinne der Fähigkeit, etwas zu kontrollieren. Grob gesagt, das Fortkommen eines Kindes in dieser Welt hängt von einer realistischen Einschätzung der drei folgenden Bereiche ab.

  1.  Urteilsvermögen über was man Macht hat oder nicht
  2. Ausmaß des eigenen Einflusses auf Dinge, die man kontrolliert
  3. Umgang mit Dingen, die  man nicht kontrollieren kann

Um es besser verstehen zu können, stellen Sie sich einmal ein Kleinkind und seine Eltern vor.

Das fällt mir jetzt besonders leicht, weil ich es noch so brandaktuell vor Augen habe. Vor 20140315_100939zwei Wochen sind wir Großeltern geworden. Zunächst ist unsere Enkelin vollkommen hilflos. Gleichzeitig hat sie aber schon eine enorme Macht über ihre Eltern. Sie arrangieren ihr ganzes Leben um das Kind herum, tragen es bei sich, schützen und versorgen es. Für eine Weile ist ihr Baby ihr Lebensmittelpunkt. Wenn man nun mit unserer Enkelin reden könnte, würde sie sicher nicht sagen:“ Ich kommandiere diese Familie!“

Ein Baby schwankt zwischen unangenehmen Gefühlen von Angst, Hilflosigkeit, Hunger Zorn, Schmerz und angenehmen Gefühlen von Sicherheit, Geborgenheit, Wärme und Sättigung. Sie würde vermutlich sagen, dass sie keinerlei Macht oder Kontrolle über das alles besitzt was es da erlebt. Um diese Machtlosigkeit zu kompensieren, verwendet es später enorme Energie darauf, seine Macht über sich selbst zu stärken.
Deshalb ist die Familie das beste System und von Gott so eingesetzt, um dem Kind einen guten Rahmen zu geben, indem es heranwachsen kann. Mit zunehmendem Alter wird das Kind seine Macht und den Umgang damit stets testen und seine Grenzen altersgemäß unter elterlicher Anleitung abstecken. Bleiben Sie emotional stark mit ihrem Kind verbunden. Versichern sie ihm stets über Gestik, Mimik und verbal, dass sie es respektieren und das gemeinsame Leben mit allen Herausforderungen und Kämpfen unter dem Zeichen der Liebe und des Mitgefühls für seine gute Entwicklung stehen!cropped-th_054.jpg

Denn ein Kind hat zwei Hauptprobleme in dieser Hinsicht:

  1.  Problem: Ein Kind versucht immer Macht über Dinge zu haben, die ihm nicht zustehen!

Doch ein Kind kann keine Grenzen um etwas ziehen, was nicht sein Eigentum ist. Wenn es das versucht, wird der Besitzer irgendwann seine Zäune wieder einreißen! Konflikte werden auftreten, wenn es bei seiner Sichtweise bleibt und auf ein Kind trifft, dass ihm widerspricht. Begegnet es einem eher schwachen Gegenüber, der seiner Verirrung  nichts entgegensetzt, unterstützt dieser den Teufelskreis und wird selbst zum Spielball.

Spinnt man dieses Verhalten weiter, kann man sich einen dominaten Ehemann  vorstellen, der seine Frau unterdrückt und Macht ausübt. Spielt die Frau mit, bestärkt sie sein Verhalten, anstatt ihn mit seiner Unfähigkeit zu konfrontieren Kontrolle auszuüben.

      2. Problem: Ein Kind versucht unkontrollierbares zu kontrollieren. Es hat ständig Misserfolge und vergisst dabei, dass es durchaus Dinge gibt, über die man Macht ausüben kann. Es versucht erfolglos seine Freunde herumzukommandieren und vergisst dabei sich selbst anzupassen, manche Wünsche zurückzunehmen.

Tatsächlich ist es enorm wichtig, dass sich ein Kind mit seiner Machtlosigkeit und Selbstwirksamkeit/Selbstorganisation auseinandersetzt und beides in der Situation abwägen kann. Mit der Macht über sich selbst beginnt diese Entwicklung.

Ich habe nicht die Macht…th_005

  • zu überleben ohne andere Menschen zu brauchen.
  • zu tun was immer ich möchte
  • Konsequenzen zu umgehen
  • Fehler  und Versagen zu vermeiden

Mit der Macht über andere Menschen setzt sich diese machtorientierte  Entwicklung fort.
Ich habe nicht die Macht…

  • andere Menschen zu kontrollieren
  • unrealistische Wünsche einzufordern

Unsere kleinen Engel meinen, die Macht zu haben und die Resultate ihres Tuns umgehen zu können. Kinder sind bereit zu manipulieren, zu lügen und endlos zu diskutieren um einer Konsequenz bzw. Strafe zu entgehen.Machen Sie Ehrlichkeit zur Norm und setzen Sie Unwahrheiten deutliche Grenzen. Feiern Sie, wenn ihr Kind sein Fehlverhalten von sich aus zugibt! Fehler sind menschlich und gehören zum Leben!

Im folgenden finden Sie noch ein paar Beispiele wie Kinder versuchen ihre Macht auszuüben und wie wir adequat darauf reagieren können:

 Versuch der Machtausübung              Ihre Reaktion

Wenn ich lange genug herumjammere, bekomme

ich das Stofftier

Frage mich nur einmal ganz normal und ich entscheide. Gejammer bringt automatisch ein Nein

Ich kann meine Freunde herumschubsen

Die anderen Kinder scheinen dich zu meiden. Du solltest erst mal keine Kinder einladen, bis wir gemeinsam einen Weg gefunden haben, wie du besser mit Leuten umgehen kannst!

Wenn ich besonders nett und hilfsbereit bin, muss ich den Hausarrest für meine letzte Schandtat nicht ganz absitzen

Ich freue mich über dein gutes Verhalten, aber dein Hausarrest gilt bis zum ausgemachten Tag.

 

Ich kann deine Aufforderungen, das Wohnzimmer aufzuräumen, einfach   ignorieren!

 

Es bleibt dabei, diese Arbeit übernimmst du verantwortlich. Es hat Konsequenzen, die dir wahrscheinlich noch weniger gefallen werden. Dein Fußballspiel ist in ernster Gefahr.

Ich kann dich mit meinen Wutanfällen ärgern und aus dem Konzept bringen.

Dein Geschrei macht mir nichts aus, aber es ist ein schlechtes Verhalten. Solange du dich so aufführst sind alles deine Privilegien gestrichen! (Ausflüge oder was eben so geplant ist)

 

Mein Hass kann dich zerstören!

Du kannst mich damit verletzen, aber deshalb  gehe ich nochlange nicht weg

 

 

Auf diese Weise helfen wir unseren Kindern mehr und mehr den Wunsch nach Macht über andere aufzugeben. Natürlich ist das nicht mit einer guten Reaktion von uns Erwachsenen erledigt. Das Kind geht davon aus, dass wir unsere Entscheidung nicht durchziehen. Bleiben Sie dabei. Es geht darum, in diesem Prozess nun den Unterschied von Kontrolle und Einfluss aufzuzeigen. Einfluss respektiert die Freiheit des anderen!! Etwa in der Art:

„Wenn du mit einigen Entscheidungen, die ich treffe nicht einverstanden bist, lasse ich mit mir reden, wenn du gute Vorschläge bringst. Ich denke darüber nach, wenn du respektvoll mit mir umgehst. Falls ich bei meiner Entscheidung bleibe, bitte ich dich, das zu respektieren!

Eines noch zum Schluss: Gründen sie Ihre Entscheidungen oder Reaktionen stets auf den ethischen Grundwerten des Zusammenlebens. Nur dann könne Sie in der Durchführung maßvoll und zielgerichtet argumentieren. Alles andere wird ihr Kind nicht verstehen oder nachvollziehen können. Ihre Autorität wächst in der Sinnhaftigkeit einer Regel und nicht im Machtgehabe. Ebenso sollten wir im Einzelfall auch das Alter, die Ausgangssituation und jedes System genauer betrachten und nicht pauschlisieren. Manches Verhalten hat sich verfestigt und eine Eskalation ist vorprogrammiert. Oftmals ist da eine Hilfe von aussen ganz hilfreich, um eine seelische Behinderung abzuwenden.

Macht kann ein Kind heilen oder verletzen. Ein Kind braucht den Einfluss, der aus einer DSCI0021gesunden Selbstkontrolle entsteht und es muss den unrealistischen Wunsch loslassen, absolute Macht über sich selbst oder seine Beziehungen ausüben zu können. Eine realistische Einstellung zu seinen Einflussmöglichkeiten ist das Fundament, auf dem ihr Kind Respekt vor anderen und die Einhaltung von Grenzen lernen kann. Helfen unseren Kindern dabei!

Respektvolle Grüße
Dorothea Wald